WILLIAM TURNER  – „DER LICHTMALER“

Er war der bedeutendsten englischen Maler seiner Zeit, berühmt vor allem für seine Landschafts- und Marinebilder, bekannt als „the painter of light“, „der Lichtmaler“: William Turner, geboren am 23. April 1775 in London. 2025 wird seines 250. Geburtsjubiläums nicht nur in Großbritannien entsprechend gedacht werden. Somit kommt die Biografie des deutschen Kunsthistorikers Boris von Brauchitsch gerade recht. Wohlgemerkt, es ist eine Biografie, die da vorliegt, kein Bildband. Das Hauptgewicht des Buches liegt auf der Beschreibung von Turners Leben und Werk. Natürlich ist es auch reich illustriert, die Bilder sind dort zu sehen, wo sie im Text vorkommen, wo Turners Werke auch in Beziehung zu Arbeiten anderer Maler gestellt werden. Die Abbildungen werden nicht, wie das bei ähnlichen Publikationen manchmal geschieht, in einen gesonderten Teil des Buches gepackt.

W. Turner: Annäherung an Venedig, 1843, Öl auf Leinwand, National Gallery, Washington
W. Turner: Annäherung an Venedig, 1843, Öl auf Leinwand, National Gallery, Washington

Boris von Brauchitsch betont, welch „bemerkenswertes Jahr in einer spannungsreichen Zeit“ das Geburtsjahr Turners war: 1775 wurde in Frankreich Ludwig XVI. gekrönt, in Amerika  begann der Unabhängigkeitskrieg, in Salzburg wurde Mozarts „Il re pastore“ uraufgeführt, und 1775 war auch das Geburtsjahr der englischen Schriftstellerin Jane Austen.

William Turner zeigte schon früh eine außergewöhnliche künstlerische Begabung, erste erhaltene Zeichnungen gibt es vom 12-Jährigen. Schon diese frühen Werke – so wird erzählt – beeindruckten so sehr, dass Turners Vater, ein Barbier und Perückenmacher, Bilder seines Sohnes erfolgreich an seine Kunden verkaufte. Erst 14-jährig wurde Turner 1789 in die Royal Academy of Arts aufgenommen und stellte dort bald seine ersten Aquarelle aus.

W. Turner: Ein Raddampfer in einem Sturm, um 1841, Aquarell, Yale Center for British Art / Artvee
W. Turner: Ein Raddampfer in einem Sturm, um 1841, Aquarell, Yale Center for British Art / Artvee

Apropos Aquarell: Turner wurde, so berichtet Brauchitsch, von manchen Zeitgenossen kritisiert, weil er seine Ölbilder „zart und durchlichtet wie Aquarelle“ erscheinen ließe. Denn, so meinte man, wenn ein Ölgemälde wie ein Aquarell wirke, fehle es ihm an Substanz. Der deutsche Dichter Theodor Fontane wiederum bemängelte an Turner, dass dieser zu Farben seine Zuflucht nahm, „von denen er wußte, dass sie nicht dauern würden.“ Turner aber ging es vor allem darum, dass seine Bilder im Hier und Jetzt wirken und auch gut verkaufbar sein sollten – welchen Eindruck sie später einmal machen würden, kümmerte ihn nicht.

William Turner gilt heute als ein Wegbereiter des Impressionismus, als Revolutionär, der in völlig neuer Art an die künstlerische Umsetzung von Farbe, Licht und Atmosphäre heranging. Zu Lebzeiten allerdings wurde er dafür teils heftig kritisiert. So etwa warf der renommierte Essayist und Schriftsteller William Hazlitt 1816 in einer berühmten Attacke Turner vor, dass dessen Werke zu abstrakt seien, „alles ist ohne Formen und leer“. Und wenn Hazlitt es damals als negativ vermerkte, dass Turner lediglich „Bilder der Elemente Luft, Erde und Wasser“ male, so ist es genau das, was bis heute als die ganz besondere Qualität der Werke gilt.

W. Turner: Der Brand des Parlaments, 1834, Öl auf Leinwand, Philadelphia Museum of Art
W. Turner: Der Brand des Parlaments, 1834, Öl auf Leinwand, Philadelphia Museum of Art

Boris von Brauchitsch stellt als Biograf die Aussagen zu Turners Werk einander gegenüber, auch die widersprüchlichen über den Charakter des Künstlers, hält sich mit seiner Meinung zurück, tritt nur dann hervor, wenn es darum geht, Bilder zu beschreiben, auf Details hinzuweisen, die ihm wichtig erscheinen. Turners Leben und Wirken, seine Reisen und Freundschaften werden in den Kontext der zeitgenössischen künstlerischen und politischen Strömungen gestellt. So ist dieses Buch unbedingt dazu geeignet, sich selbst ein Bild von der Persönlichkeit jenes exzeptionellen Künstlers zu machen, der, als er 1851 in London starb, ein mehr als 550 Ölgemälde, 2.000 Aquarelle und über 30.000 Skizzen und Zeichnungen umfassendes Oeuvre hinterließ.

W. Turner: Schneesturm. Dampfschiff an der Hafenmündung, 1842, Öl auf Leinwand, Tate Gallery
W. Turner: Schneesturm. Dampfschiff an der Hafenmündung, 1842, Öl auf Leinwand, Tate Gallery

Dem Urteil von Werner Haftmann, dem Gründungsdirektor der Neuen Nationalgalerie in Berlin, dass „Künstler wie Turner die Stolpersteine auf der Straße der Geschichte, die Fehler im System seien“, setzt Brauchitsch nach: „Der eigenen Zeit ein Anlass für Hohn oder ein Ärgernis, der Nachwelt ein Leuchtfeuer in historischer Ferne“. Leuchtfeuer, das ist das Wort, wenn man an all die flammenden Farbexplosionen in den Bildern Turners denkt.

Boris von Brauchitsch: William Turner. Biografie. Insel Verlag, Berlin 2024.

10.12.2024

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