WANDERBARES WEINVIERTEL

Der Name sagt es bereits: Das Weinviertel ist vor allem für den Wein berühmt. Denn immerhin ist die Region, die sich nordöstlich von Wien bis zu den Grenzen zu Tschechien und der Slowakei erstreckt, das flächenmäßig größte Weinbaugebiet Österreichs. Bei einem Viertel Wein im Wienviertel kommt vor allem Grüner Veltliner ins Glas, die gebietstypische, autochthone Rebsorte. Aber auch andere Weißweinsorten – und zunehmend Rotweine – kann man in den ebenfalls gebietstypischen Kellergassen verkosten.

Bekannt ist das Weinviertel auch als eine Region, die aufgrund des sanft-hügeligen Landschaftscharakters sehr gute Bedingungen fürs Radfahren bietet. Relativ unbekannt hingegen ist, dass es sich hier auch hervorragend wandern lässt. „Wanderbares Weinviertel“ betitelten daher Johanna und Thomas Ruzicka ihr Buch, in dem sie beschreiben, was alles auf „33 schönen Runden zwischen Manhartsberg und March“ zu entdecken ist. Dass sie über reichlich Expertise verfügen, zeigen jene Wander- und Ausflugstipps, die das Ehepaar regelmäßig für die Tageszeitung „Der Standard“ liefert, wobei Johanna Ruzicka – die lange Zeit als Wirtschaftsjournalistin beim „Standard“ tätig war – für die Texte und Thomas Ruzicka für die Fotos zuständig ist. Und was sich bei den Zeitungsbeiträgen bewährt, das zeichnet auch das Buch aus: Beschrieben werden Routen, von denen die meisten in rund drei Stunden zu bewältigen sind, zu denen es jeweils eine übersichtliche Routenskizze gibt, und die fast alle leicht und familienfreundlich und bis auf wenige Ausnahmen ganzjährig zu begehen sind.

Das Buchcover zeigt ein Foto der Kellergassen von Wildendürnbach. Die Kirchturmspitze, die hier nur klein zu sehen ist, findet sich im Buch in Großaufnahme. Sie stammt von der ehemaligen Dorfkirche, die 1971 wegen Baufälligkeit gesprengt wurde. Die Spitze blieb dabei jedoch erstaunlicherweise unversehrt erhalten – und wurde als kurioses Relikt auf dem ehemaligen Galgenberg platziert. Fotos © Thomas Ruzicka.
Das Buchcover zeigt ein Foto der Kellergassen von Wildendürnbach. Die Kirchturmspitze, die hier nur klein zu sehen ist, findet sich im Buch in Großaufnahme. Sie stammt von der ehemaligen Dorfkirche, die 1971 wegen Baufälligkeit gesprengt wurde. Die Spitze blieb dabei jedoch erstaunlicherweise unversehrt erhalten – und wurde als kurioses Relikt auf dem ehemaligen Galgenberg platziert. Fotos © Thomas Ruzicka.

Vor allem aber geht es dem Autorenpaar niemals nur ums Dahinmarschieren, sondern bei jeder der 33 Touren durch das „wanderbare“ Weinviertel gibt es Besonderes zu sehen und zu erleben, etwas, das typisch für die Region und oftmals einzigartig ist. So etwa die Erdställe in Althöflein. Diese „Ställe“ haben nichts mit Tierhaltung zu tun, sondern es handelt sich um ein im frühen Mittelalter angelegtes Stollen- bzw. Gangsystem. Es ist eines der größten dieser Art in Mitteleuropa, doch welchem Zweck es diente – ob es Zufluchtsort oder Kultstätte war – ist bis heute nicht restlos geklärt. Mehr darüber ist im Erdstallmuseum von Althöflein zu erfahren, und Teile der Erdställe können besichtigt werden.

Von Unterirdischem – nämlich dem größten historischen Weinkeller Österreichs – hinauf zu der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Windmühle auf dem Kalvarienberg führen Johanna und Thomas Ruzicka bei ihrer Wanderung in Retz. In Herrenbaumgarten besuchen sie das vom „Verein zur Verwertung von Gedankenüberschüssen“ betriebene „Nonseum“-Museum für Unsinnigkeiten. Und von Schloss Loosdorf wissen sie die spannende Geschichte des „Scherbenzimmers“ zu erzählen, in dem eine wertvolle Porzellansammlung, die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde, nun in teilweise rekonstruierter Form ausgestellt ist.

Links: Der schiefste Kirchturm von Österreich befindet sich in Waitzendorf. Die Neigung beträgt derzeit etwa 1,1 Grad und nimmt weiterhin zu. Rechts: Der Radyweg in Poysdorf ist eine typische Hohlweg-Kellergasse mit insgesamt 90 Presshäusern. Fotos © Thomas Ruzicka, aus: „Wanderbares Weinviertel“.
Links: Der schiefste Kirchturm von Österreich befindet sich in Waitzendorf. Die Neigung beträgt derzeit etwa 1,1 Grad und nimmt weiterhin zu. / Rechts: Der Radyweg in Poysdorf ist eine typische Hohlweg-Kellergasse mit insgesamt 90 Presshäusern. Fotos © Thomas Ruzicka, aus: „Wanderbares Weinviertel“.

Das Autorenpaar hat zu den Besonderheiten der einzelnen Wanderrunden jeweils sehr präzise recherchiert, wobei der thematische Bogen von historischen Fakten bis zu geologischen Besonderheiten reicht. Thomas Ruzicka liefert dazu die passenden Fotos, und Johanna Ruzicka präsentiert die vielen interessanten Daten und Fakten sehr lesenswerter Form ­– nie zu viel aber auch nie zu wenig. All das unterscheidet das Buch von vielen herkömmlichen Wanderführern und macht die besondere Qualität des „Wanderbaren Weinviertels“ aus.

8.7.2024

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