Von „smaragdgrünem Wasser“ und dem „lichtflirrenden See“ schwärmt Werner Rosenberger in der Einleitung zu seinem Buch „Die Villen vom Wörthersee“. Da kommt gleich einmal Vorfreude auf. Das bereitet die Stimmung für „Villen und Geschichten, Häuser und Schicksale“ (so der Titel der Einleitung). Eigene Erinnerungen verblassen vielleicht vor nostalgischen Momenten der Vergangenheit – oder treten noch stärker zu Tage. Als Ferienziel entdeckt wurde der größte See Kärntens vor rund 150 Jahren, als in Zusammenhang mit dem Ausbau der Eisenbahnverbindungen all jene, die es sich leisten konnten, vor der Sommerhitze in den Städten hierher in den Süden Österreichs flüchteten – „hin zu Idylle und Ruhe“.
Werner Rosenberger ist Kulturredakteur bei der Wiener Tageszeitung „Kurier“ und er hat bereits einige Bücher über die Wiener Villenbezirke verfasst. Nun erzählt er Geschichten von Leuten, die in ganz Europa – und natürlich auch in Wien – zu Hause waren, den Sommer aber in repräsentativen Villen am Wörthersee verbrachten. Da stellt sich die Frage, ob sich diese Gebäude in ihrer Architektur von jenen unterscheiden, die man in Wien oder auf dem Semmering (ebenfalls eine beliebte Sommerfrischeregion) findet. Dazu meint Werner Rosenberger, dass es den Villenbesitzern da wie dort primär um Komfort, um viel Raum und eine standesadäquate Ausstattung ging. Die Lage am See bedingte vom architektonischen Ansatz her Entwürfe, die mehr nach außen, mehr in die Natur gerichtet sind. Die Aussicht auf den See und das Bergpanorama waren und sind dabei ein besonderer Trumpf. Interessant findet Rosenberger, dass ihm kein namhafter Architekt der sogenannten Wörthersee-Architektur bekannt ist, der auch in Wien eine vergleichbare Villa gebaut hätte.
Die Architektur ist jedoch nur ein Aspekt von Werner Rosenbergers Recherchen. Interessant werden für ihn ein Haus und ein Ort erst durch die Geschichten der Menschen, die einmal dort waren und vielleicht noch dort sind. Und im Erzählen dieser Geschichten ist Rosenberger ein Meister. Auch, weil er weiß, wo die Quellen zu finden sind und wie er an die entsprechenden Informationen kommt, um ein in den Details korrektes und dabei absolut stimmiges Bild zu zeichnen.
Rosenberger beginnt bei der Villa von Marie Geistinger, der „Königin der Operette“, die in einem hübschen, soliden, zweistöckigen Bau am Klagenfurter Lendkanal wohnte. 32 Kapitel später – es sind also 33 Villen, die er vorstellt – beendet er seinen Villenrundgang in Maiernigg, an der Wörthersee-Süduferstraße 23, beim Hofoperndirektor Gustav Mahler. Dazwischen findet man bekannte Prominente ebenso wie eher unbekannte – aber überaus interessante – Persönlichkeiten: Von Theaterleuten, Musiker:innen, Klavierbauern und Porzellanwarenfabrikanten bis zu Film- und Schlagerstars reicht da der Bogen. Intensiv wird es, wenn sich – wie zum Beispiel beim Maler Peter Krawagna – ein langes Gespräch anbahnt, wenn Krawagna von seiner „Villa Waldesruhe“ erzählt und von der künstlerischen Inspiration, die er ringsum findet: „Den Mittagskogel mit seinen drei schroffen und stufenartig sich erhebenden Kuppen hat er schon oft und gern zu Papier gebracht. Und kann ihn längst auswendig zeichnen. Aber oben am Berg war er noch nie.“
Rosenberger beschreibt Postkartenidyllen und architektonische Juwelen, die leer stehen, vermittelt seine Begeisterung, wenn ihm Zutritt gewährt wird zu Objekten, die von ihren Besitzer:innen seit Jahrzehnten mit viel Aufwand gehegt und gepflegt werden, und er so das Ambiente entsprechend beschreiben kann. Auf die Frage, ob es denn eine Lieblingsvilla gäbe, die er kaufen würde, wenn er das Geld hätte, antwortet Werner Rosenberger prompt: „Um Gottes willen, nur das nicht!“ Aber dann fällt ihm doch ein Haus ein, das ihn besonders interessiere, in dem er gerne Stunden und Tage verbringen würde. Es ist die Villa Ast am Südufer des Wörthersees, in Schiefling. Dieser Bau unterscheidet sich ganz und gar von all den anderen Villen rund um den See, denn er ist in den 1920er Jahren nach Plänen von Josef Hoffmann erbaut worden: „Hier ist Architektur, wie eine bekannte Definition dieser Disziplin besagt, nichts anderes als gefrorene Musik“, meint Rosenberger.
Bebildert ist das Buch mit Schwarzweiß-Illustrationen aus alten und neuen Tagen, sowohl von den Außenansichten als auch von den Interieurs der Villen. Werner Rosenberger liefert in dem Band auch eine „Gebrauchsanweisung“ für all jene, die diese „Riviera der Alpen“ zu Fuß oder mit dem Fahrrad erkunden möchten – oder aber, weil vieles ja hinter Hecken und Zäunen verborgen ist, vom Boot aus sehen wollen, am günstigsten im Rahmen einer Rundfahrt via Wörthersee-Schifffahrt. Mehrere im Anhang des Buches zu findende Karten, auf der auch die besprochenen Häuser eingezeichnet sind, helfen noch einmal weiter.
Werner Rosenberger: Die Villen vom Wörthersee. Wenn Häuser Geschichten erzählen. Amalthea Verlag, Wien 2022.
5.3.2022