Wenn man etwas über Tee wissen möchte, so gibt es zahlreiche Bücher, Kataloge und natürlich TeeWiki. Ich konzentriere mich hier auf drei – sehr unterschiedliche – Bücher zur vielfältigen Beschäftigung mit dem Thema Tee und lasse auch einige Anmerkungen folgen, die meinen eigenen Umgang damit beschreiben.
Die Vielfalt liegt zunächst in der Verarbeitung des Teeblatts zu verschiedenen Sorten: Es gibt ihn als weißen, gelben, grünen, roten (Pu-Erh), halbfermentierten (Oolong) und schwarzen Tee. Inhaltsstoffe und Geschmacksrichtungen variieren innerhalb und unter den Sorten. Und hier geht die Sucherei schon los, welche Richtung soll man bevorzugen? Hat man sich für eine Richtung entschieden, dann kommt die nächste Frage: Welcher genau soll es werden? Tee aus China, Japan oder Neuseeland…? Soll er getrocknet sein, gebacken oder gedünstet usw. sein? Dazu kommt das Problem mit dem Wasser, nicht immer ist es weich genug, damit sich zarte Aromen – z.B. von weißem Tee – durchsetzen können. Wie gestalte ich das Verhältnis von Wasser und Tee und wie lange lässt man ihn ziehen, wie viele Aufgüsse verträgt die Sorte…?
Wenn man sich diesem Prozess aussetzt, so vergehen Jahre, bis man sich ein Bild gemacht und seine Vorlieben in allem herausgefunden hat. Und beim ersten Hineinschauen erscheint das Thema unübersichtlich und unerschöpflich. Das kann man ändern – und dabei können Bücher in der Tat helfen.
Drei Bücher – eine (Tee)Welt
Jedes dieser Bücher folgt einem anderen Umgang mit dem Tee. Auch dies zeigt, welche kulturgeschichtliche Bedeutung der Tee im asiatischen Raum, speziell in China und Japan, hat. Das erste Buch ist ein Klassiker für den Einstieg in das Verständnis japanischer Teekultur. Der Kulturwissenschaftler Kakuzo Okakura (1862–1913) veröffentlichte „Das Buch vom Tee“ erstmals 1906. Seitdem ist es immer wieder neu aufgelegt und übersetzt worden.
Kakuzo Okakura versucht dem Außenstehenden zu vermitteln, worum es bei der Teezeremonie geht, beschreibt Form und Gebrauch der Teegeräte, die Bedeutung des japanischen Teehauses und des Rituals. Er betrachtet all diese Dinge generell und wertet und bewertet die Bedeutung des Tees für die japanische Kultur und japanisches Selbstverständnis, beleuchtet den Zusammenhang von Religion und Philosophie, von Kunst und Architektur, wie sie sich in der Teezeremonie finden lassen. Eine komplizierte Materie und theoretisch schwer zu verstehen.
Ich hatte einmal die Möglichkeit an einer derartigen Zeremonie teilzunehmen, was einem den Zugang erheblich erleichtert. Man ahnt irgendwie, dass es zum Schluss gar nicht mehr um den Tee als solchen geht, vielmehr ist der Tee der willkommene Anlass zur Selbstversenkung durch ein streng zu befolgendes Ritual. Dieses diszipliniert die Gedanken und fokussiert sie am Ende auf die eigene Situation – und dabei hilft dann der Tee wieder.
„Medizin war Tee zuerst, Getränk wurde er danach. Im achten Jahrhundert zog er in China als eine der galanten Spielereien in das Reich der Poesie ein. Im fünfzehnten Jahrhundert erhob ihn Japan zu einer Religion des Ästhetizismus, zum Teeismus. Teeismus ist ein Kult, gegründet auf die Verehrung des Schönen inmitten der schmutzigen Tatsachen des Alltags. Er umschließt Reinheit und Harmonie, das Geheimnis des Mitleidens, die Romantik der gesellschaftlichen Ordnung. Dem Wesen nach ist er eine Verehrung des Unvollkommenen, denn er ist ein zarter Versuch, etwas Mögliches zu vollenden in diesem Unmöglichen, das wir Leben nennen.“ (Kakuzo Okakura, Das Buch vom Tee. Übersetzung Horst Hammitzsch)
Einen sehr viel weltlicheren Umgang mit Tee beschreibt der Schriftsteller Christoph Peters (*1966) in seinem Buch „Diese wunderbare Bitterkeit. Leben mit Tee“.
Peters‘ Buch ist wie ein Lebenslauf (mit Tee) angelegt. Man erfährt von den – eher zufälligen – Anfängen und vollzieht Schritt für Schritt nach, wie der Umgang mit Tee das Leben verändert. Man kann gut beobachten, wie eines zum anderen kommt, wie immer noch etwas obendrauf gelegt wird. Es geht dann um die Formen des Kessels, die Art des Ausgießens des Wassers, um jahreszeitlich angepasste Ausstattung, um das Teetrinken alleine oder in Gesellschaft, um eigene Rituale und Erfahrungen … kurzum, wie der Tee zu einem wichtigen Teil des Lebens wird – zum einen der intensiven Beschäftigung vieler Aspekte des Teetrinkens wegen, zum anderen in der eigenen, privat-ritualisierten Nutzung des Tees.
„Während Kaffee als einer der wichtigsten Treibstoffe der Leistungsgesellschaft gilt und durch hochpreisige, an die Glanzzeit italienischen Sportwagenbaus erinnernde Maschinen auch repräsentative Aufgaben übernehmen kann, steht der Tee für Zurückgenommenheit und Selbstbesinnung.“ (Christoph Peters, Diese wunderbare Bitterkeit. Leben mit Tee)
Eine andere Art der „Einladung zum Tee“ bietet das Buch der Typografin und Designprofessorin Mariko Takagi (*1975).
Takagi, Autorin zahlreicher Bücher zur japanischen Kultur, beschreibt den historischen Weg des Tees, nennt wichtige Marksteine, beschreibt Sorten, Anbaugebiete und kulturhistorische Entwicklungen. Das Spektrum reicht von Tipps für die Aufbewahrung bis zu Rezepten und Hinweisen auf die medizinische Wirkung. Ein wunderbarer Einstieg in die Welt des Tees. Die Informationsfülle wird durch die (ebenfalls von Mariko Takagi stammenden) Illustrationen auf sehr liebevoll-erzählerische und doch stark reduzierte Visualisierung erleichtert. Das Buch in seiner Gestaltung und seinem Inhalt entspricht dem, was man auch dem Tee zuschreibt: Es ist Genuss und Erkenntnis zugleich.
Mein Tee-Erlebnis
Mit diesen drei Büchern deckt man ein ganzes Spektrum an Beschäftigungen mit Tee ab. Wenn man Tee jedoch erleben möchte, dann muss man das schon selbst angehen. Natürlich bedarf es einer Vorbereitung, eigentlich auch schon etwas mehr, denn das Spektrum und die Variabilität sind erstaunlich. Ich konzentriere mich daher auf die reinen Teesorten, ohne Aromatisierungen und ohne Beimischungen anderer Pflanzenanteile. Auch kein Wort fällt über die fälschlich als Tee bezeichneten weiteren Aufgussgetränke, wie etwa von Kräutern, Früchten oder Mate.
Mitte der 1970er bin ich das erste Mal auf den Tee gekommen. Es war irgendwie gut sich damit vollzupumpen, um die Nächte durchzumachen – auch wenn schon mal die Hände zitterten vom zu vielen Teein. Irgendwann in den 1980ern begann ich mich dann ernsthaft mit dem Getränk zu beschäftigen, las dazu, verkostete verschiedene Sorten und probierte Zubereitungsvarianten aus. Ich blieb zunächst bei schwarzen, aromatisierten Tees (Orange, Earl Grey usw.) hängen. Irgendwann verlor sich die Teeorientierung hin zum Kaffee, das blieb bis etwa 2005 so, dann machte sich mein Magen bemerkbar und ich stieg wieder auf Tee um, zunächst aus Vernunftgründen und ohne Hintergedanken. Doch schon bald begann ich, das verschüttete Wissen wieder auszugraben und zu ergänzen – theoretisch wie praktisch. Mein Interesse war neu geweckt. Ich kaufte die verschiedensten Tees und probierte allerlei Sorten, exotische und normale darunter. Auch mein Teegeschirr ist mitgewachsen. Ich bevorzuge Glas als Material. Das Saubermachen ist zwar herausfordernd, die durchleuchteten Tees in ihrer eigenen Farbigkeit sind jedoch ein spezieller Anblick. Derzeit hat es sich auf eine ganze Reihe verschiedener Sorten eingependelt. Im Moment sind es eher die milderen Sorten: Darjeeling als milder schwarzer, Lung Chin als milder grüner, hin und wieder einen weißen Tee (Yin Zhen / Silbernadeln) und dann muss es doch auch wieder ein kräftiger Assam oder Pu-Erh Tee sein.
Die Farben des Tees
Die farblichen Bezeichnungen des Tees sind zumeist verbunden mit der Farbe des trockenen Blattes. Bei weißem Tee ist das Verfahren entscheidend für die Bezeichnung, bei rotem Tee handelt es sich um spezielle Schwarztees, deren Aufgussfarbe tiefrötlich, schimmernd und leuchtend ist. Innerhalb der Tees variieren die farblichen Nuancen genauso wie die geschmacklichen.
Grüner Tee:
Japan Sencha: Die Teesträucher stehen in der prallen Sonne, dadurch ist der Stoffwechsel der Pflanze maximal angeregt, die Blätter werden besonders grün (andere Grüntees, wie etwa Matcha, werden im Schatten oder Halbschatten großgezogen). Unmittelbar nach der Ernte werden die Blätter für 30 Sekunden gedämpft, anschließend mit heißer Luft getrocknet. Die Blätter werden (traditionell mit der Hand) gerollt. Der Tee enthält viel Teein, wirkt daher sehr anregend. Das erklärt seine Beliebtheit aber auch die Vorsicht im Umgang mit zu vielen Tassen pro Tag. Die Tassenfarbe ist hellgrün.
Weißer Tee:
China Yin Zhen (Silbernadeln): Gepflückt werden die Blattknospen. In diesem Wachstumsstadium haben die Blätter noch kein Chlorophyll ausgebildet, die jungen Blättchen haben noch einen feinen Flaum. Die Blätter werden zunächst an der Luft getrocknet, sie welken dort und werden zum Abschluss noch in einem Ofen vorsichtig erwärmt, bis die letzte Feuchtigkeit verschwunden ist. Die Tassenfarbe ist sehr hell.
Schwarzer Tee:
Indien Assam: Tee, ursprünglich aus Nordost-Indien, kräftiger Geschmack. Gepflückt wird in zwei Ernten (1st und 2nd Flush). Die Blätter werden mechanisch „aufgebrochen“, d.h. der Zellsaft kann austreten und das Blatt fermentiert (oxydiert). Wenn eine kupferbraune Farbe erreicht ist, wird der Tee kurz und heiß getrocknet und anschließend nach Blattgrößen sortiert. Die Tassenfarbe ist dunkelbraun.
Roter Tee:
China Pu-Erh: Wird gewonnen aus Blättern des wildwachsenden Teestrauchs Qingmao – einer Unterart der Camellia Sinenis. Der Qingmao wächst in und um die chinesische Provinz Yunnan. Die Blätter des Baumes sind größer, die chemische Zusammensetzung ist etwas anders als die von Camellia Sinenis. Der rote Tee ist vermutlich die älteste Art der Teeherstellung. Die Verarbeitung führt zu unterschiedlichen Sorten. Die gedämpften Blätter werden in Formen gepresst, die Formen jahrelang gelagert, wodurch der Tee gehaltvoller wird. Er wird mit seinem Herstellungsdatum versehen. Je älter der Tee ist, desto teurer wird er, ähnlich wie bei Weinen. Die Tassenfarbe des reifen Pu-Erh ist dunkelrot.
Zugegeben, am Arbeitsplatz muss der Teebeutel reichen, hier ist es alles Mögliche, das mich zum Tee greifen lässt, Zeit und Muße für den Genuss habe ich jedoch nicht. Vielleicht kann man es vergleichen mit einer Zigarette im Verhältnis zur Pfeife oder Zigarre, oder mit dem Wein zum Essen und dem, den man lieber ohne weitere Geschmacksablenkungen trinkt…
Zu Hause angekommen muss ausgewählt werden, welche Sorte den heutigen Tag am besten abschließt oder am besten für den Start in den Abend geeignet erscheint. Dann wird beim Wasserkocher die richtige Temperatur eingestellt, der Tee aufgefüllt und eine Tasse ausgewählt. In der Regel bevorzuge ich, wie schon erwähnt, Glaskanne und Glastasse. Für grünen Tee (Matcha) gibt es auch eine Porzellanschale, für schwarzen und roten Tee eine schwarze japanische Holztasse. Dieses kleine Ritual ist wie ein Schalter, es beginnt eine kurze Zeit des Innehaltens und der Konzentration nur auf den Tee – danach kann es weiter gehen.
Das hat natürlich noch nichts mit einer Teezeremonie zu tun, in der es um Philosophie, Religion und Tradition geht. Ich bin auch weit davon entfernt, mich in den Streit über Rituale und Zubereitungsformen verschiedener Teeschulen einmischen zu können, bin aber froh, meinen eigenen Zugang zum Tee (wieder)gefunden zu haben.
Kakuzo Okakura, Das Buch vom Tee. Aus dem Japanischen von Horst Hammitzsch. Mit Illustrationen von Alexandra Klobouk und Eva Gonçalves. Insel Verlag, Frankfurt a.M. 2016.
Christoph Peters, Diese wunderbare Bitterkeit. Leben mit Tee. Arche Literatur Verlag, Zürich 2016.
Mariko Takagi, Eine Einladung zum Tee. Die schönen Dinge im japanischen Alltag. Verlag Form+Zweck, Berlin 2010.
Website von TeeWiki.
18.4.2020