Stevan Paul ist ein schreibender Koch, er lebt in Hamburg und er hat schon eine Reihe von Kochbüchern verfasst und auch Bücher, in denen er, ausgehend vom Kochen, Geschichten erzählt. So zum Beispiel den Band „Schlaraffenland“, in dem er – gemäß Untertitel – „über die tröstliche Wirkung von warmem Milchreis, die Kunst ein Linsengericht zu kochen, und die Unwägbarkeiten der Liebe“ schreibt. In seinem neuesten Werk: „Die Kichererbsen der Señora Dolores“ geht es ebenfalls um Geschichten vom Kochen. Das heißt, Stevan Paul liefert dreizehn Rezepte – er scheint nicht abergläubisch zu sein – und erzählt davor jeweils eine Geschichte, in der das Gericht eine tragende Rolle spielt.
Es ist ja so, dass beim Kochen oft Wartezeiten entstehen, und diese kann man nun mit der Lektüre der diversen Geschichten überbrücken. Die Geschichten spielen in den verschiedensten Gegenden, was dem Erzähler Gelegenheit gibt, von Orangen unter einem blauen, spanischen Himmel zu schreiben oder von der stürmischen Nordsee. Wenn eine der Geschichten „Indien“ heißt, dann ist sie zwar in der deutschen Provinz angesiedelt, aber das Rezept „Rote Curry-Linsensuppe mit Gurken-Minz-Joghurt“ ist eindeutig indisch. Auch der japanische Miso-Grünkohl mit Pfeffer-Birnen wird irgendwo in deutscher Landschaft serviert.
Stevan Paul gibt Hinweise und Andeutungen, wo er seine Ess-Geschichten überall ansiedelt und in welchem Milieu sie spielen. So etwa lässt er eine Buchhändlerin vorkommen und einen Postbeamten, einen Hygienekontrolleur und zum Beginn eben Señora Dolores, der das Glas Manzanilla-Sherry gleich nach dem Frühstück nicht wirklich zu bekommen scheint. Bei seinen Rezepten lässt Stevan Paul die ganze Bandbreite von leichtem Chicorée-Salat bis zur deftigen Berliner Blechpizza, vom Erdbeereis bis zum Kartoffelsalat mit Makrele auffahren. Er beschreibt alles Schritt für Schritt, erklärt so, dass man ihm mühelos folgen kann. Der Berliner Sternekoch Tim Raue meint, dass Pauls Rezepte immer einen persönlichen Twist enthielten, so etwa benötigt Paul für eine „Currywurst spezial“ Mango und Ananassaft!
Der schreibende Koch Stevan Paul holt sich seine Anregungen aus der ganzen Welt, aus Japan, den USA und Indien, aus Spanien und Italien. Aus Frankreich kommt als „Herzensangelegenheit“ ein „Hähnchenherzenragout“. Dann muss natürlich auch deutsche Hausmannsküche vorkommen. Der eröffnende Eintopf mit Hähnchen, Tomaten, Möhren, Kartoffeln, Chorizowürsten und den titelgebenden Kichererbsen ist eindeutig ein Herbst- oder Wintergericht, stellt auch keine Anforderungen an die Kochkunst der LeserInnen. Doch im Finale hebt Paul fordernd mit „Blanquette de Veau“ (dahinter verbirgt sich „eine Art butterzartes Kalbsfrikassee in heller, zitroniger Rahmsauce mit Champignons und Möhren“) französisch ab.
Stevan Paul: Die Kichererbsen der Señora Dolores. Geschichten vom Kochen. Illustrationen von Andrea Pieper. Mairisch Verlag, Hamburg 2024.
9.11.2024