Vor einiger Zeit fiel mir eine Schachtel mit alten Postkarten „vor die Füße“. Ich hatte zuerst überlegt, wer wohl damit etwas anfangen könne, dann aber packte mich doch die Neugier. Beim Durchsehen entdeckte ich einige Karten, die – ganz nebenbei sozusagen – auch Litfaßsäulen zeigten. Und da war er wieder, der Zweifel. Schon einmal, vor vielen Jahren, hatte ich versucht, auf alten Fotos jene Plakate aus der Zeit um 1900 zu finden, die sich als Prachtstücke in der einen und der anderen Sammlung befinden, wie etwa Arbeiten von Lucian Bernhard, Ludwig Hohlwein, Hans Rudi Erdt, Paul Scheurich usw. Doch ganz, ganz selten findet man das eine oder andere, die „Plakatwirklichkeit“ von damals jedoch sah wohl im Schnitt doch etwas anders aus, als die wunderbar ausgewählten Plakate in den Sammlungen uns glauben (und hoffen) machen. Vielleicht aber war es ganz einfach so, wie es auch heute ist: Die wirklich guten Plakate hängen regional und kurze Zeit, und die Wahrscheinlichkeit, dass gerade dann ein Foto gemacht wird, ist eben eher gering.
Wenn man bedenkt, dass heute im deutschsprachigen Raum geschätzte 100.000 Motive pro Jahr (in jeweils entsprechender Auflage) gedruckt werden, so ist klar, dass man die 150 bis 300 guten Plakate fast suchen muss wie die berühmte Nadel im Heuhaufen. Dennoch macht es Spaß, sich die alten Schätzchen anzusehen, auch wie sie gedruckt sind, wie die Kolorierung angelegt wurde und was man einander eben so schrieb auf diesen Karten. Die kleine Auswahl jedenfalls macht Lust auf mehr und ich schaue mal, was sich noch so findet im Laufe der Zeit.
8.10.2022