PFLANZEN ESSEN

Kevin Hobbs und Artur Cisar-Erlach lieben alles, was grünt und blüht, und sie wollen, dass wir den Pflanzen mehr Aufmerksamkeit schenken. Denn trotz ihrer immensen Bedeutung weisen wir den Pflanzen allzu oft nur die Rolle einer dekorativen Kulisse oder gar einer Plage zu. Wir müssen offen für Veränderung werden, gibt es doch mehr als 400.000 Pflanzenarten, von denen 300.000 höchstwahrscheinlich uneingeschränkt genießbar sind. Dennoch sind es nur drei, die den Hauptteil unserer Ernährung ausmachen: Reis, Mais und Weizen.

Illustrationen von Katie Kulla aus dem Buch „Pflanzen essen“, links: Färberdistel, rechts: Meerestraube  
Illustrationen von Katie Kulla aus dem Buch „Pflanzen essen“, links: Färberdistel, rechts: Meerestraube  

Daher traten Kevin Hobbs, Pflanzenkenner, Gärtner und Züchter mit mehr als fünfunddreißig Jahren Erfahrung, und der Autor, Ökologe und Experte im Bereich Lebensmittelkommunikation Artur Cisar-Erlach eine Reise um die Welt an, um neue essbare Pflanzen zu entdecken. 70 davon stellen sie in ihrem Buch „Pflanzen essen“ vor – von Gurganyan, einer Akazienart, deren Samen eine ergiebige Proteinquelle sind, über vermutlich Bekannteres, wie etwa Sanddorn und Schwarzer Rettich, bis zum Gewöhnlichen Seegras. Eine genaue botanische Beschreibung steht im Mittelpunkt, dazu kommen dann noch die Namen, unter denen die jeweilige Pflanze bekannt ist, das natürliche Verbreitungsgebiet, die Wachstumsbedingungen und Informationen darüber, wo man die Pflanze erwerben kann.

Die einleitende Frage zum Interview mit Artur Cisar-Erlach, der in Wien und in Kanada lebt, lautet, wie die Idee zu „Pflanzen essen“ entstand.

ACE: Mein Co-Autor Kevin Hobbs hatten ursprünglich die Idee entwickelt, die unglaubliche Vielfalt an essbaren Pflanzen aufzuzeigen. Während des Corona-Lockdowns entschieden wir dann, dies einerseits über die Geschmacksvielfalt und andrerseits über die Lösungsvielfalt (bezüglich Dürre, Überschwemmungen, magere Böden) in allen Klimazonen zu tun. Zum Glück gibt es viele Pflanzen, die nicht nur jeder Extremsituation trotzen können, sondern nebenbei auch noch eine große Menge an wunderbar schmeckenden Lebensmitteln für uns produzieren. Egal vor welche Herausforderung uns Klimawandel & Co stellt, es gibt mehrere Pflanzen, die dieser gewachsen sind, das macht uns sehr hoffnungsvoll für die Zukunft.

KH: An wen richtet sich nun das Buch?

ACE: „Pflanzen essen“ soll eine hoffnungsvolle und positive Botschaft an alle Menschen sein, die an Essen und Kochen, an unserer Zukunft und Umwelt und natürlich an Pflanzen, Landwirtschaft und Garten interessiert sind. Durch die – in unseren Augen wirklich wunderschönen – Illustrationen von Katie Kulla, ist das Buch auch an Design- und Kunstinteressierte adressiert.

Illustrationen von Katie Kulla aus dem Buch „Pflanzen essen“, links: Kornelkirsche, rechts: Johannisbrot
Illustrationen von Katie Kulla aus dem Buch „Pflanzen essen“, links: Kornelkirsche, rechts: Johannisbrot

KH: Wie haben Sie sich die Arbeit mit Ihrem Co-Autor aufgeteilt?

ACE: Zuerst haben wir über Jahre die Liste der 70 Pflanzen gemeinsam erarbeitet, dann hat Kevin den Pflanzenteil geschrieben, bevor ich dann den ökologischen und kulinarischen Part verfasst habe. Die Hintergrundtexte haben wir dann wieder gemeinsam erarbeitet und aufeinander abgestimmt. Eine wirklich tolle Zusammenarbeit!

KH: Können denn Supermarktkund:innen hierzulande etwas damit anfangen, bekommt man diese essbaren Pflanzen auch schon in Mitteleuropa?

ACE: Wir haben ein besonderes Augenmerk auf Pflanzen gelegt, die heute schon für viele Menschen eine Nahrungsgrundlage sind. Daher sind sehr viele in den Super- oder Bauernmärkten dieser Welt erhältlich, sowohl on- als auch offline. Ganz speziell auch in Österreich. Viele kann man auch wild sammeln oder im Garten sowie im Blumentopf anpflanzen. Natürlich aber laden wir die Leser:innen auch dazu ein, andere Länder durch die dortige essbare Pflanzenlandschaft zu erkunden. Es lohnt sich!

KH: Ist das Interesse an unbekannten Pflanzen in anderen Ländern, zum Beispiel in England, wo die Originalausgabe des Buches erschienen ist, größer, kennt man dort – als alte Kolonialmacht – vielleicht mehr von diesen Gewächsen als wir hier in Mitteleuropa?

ACE: In England gibt es aus den erwähnten geschichtlichen Gründen, dem allgemein sehr großen Interesse an Pflanzen und Gärten, sowie der sehr internationalen Bevölkerung in den Großstädten ein etwas größeres Interesse an unbekannten Pflanzen. Dies ist aber sehr stark auf den Zierpflanzen-Aspekt fokussiert und ihre kulinarische Verwendung steht eher im Hintergrund.

KH: Unsereins kennt ja nur einen Bruchteil der von Ihnen angeführten Pflanzen – und vieles auch nur durch Romane, die in exotischen Ländern spielen, und weniger aus eigenem Kost-Erlebnis. Wie kam es zur Auswahl der essbaren Pflanzen? Sind Sie und Ihr Co-Autor durch die große weite Welt gereist und haben sich durchgekostet oder haben Sie auf bestimmte Quellen zurückgegriffen.

ACE: Die Auswahl basiert sehr stark auf unseren Reisen und den Pflanzen, die wir dabei kennenlernen durften. Gleichzeitig war es uns aber auch sehr wichtig, Pflanzen auszuwählen, die bereits heute viele Menschen ernähren und die spezifische Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft bieten. Richtig gut schmecken mussten sie natürlich auch. Unsere anfängliche Liste umfasste mehrere hundert Namen, die wir dann – schweren Herzens – auf siebzig eingrenzten. Für den finalen Schliff konnten wir auf ein großes, internationales Netzwerk an Freund:innen und Kolleg:innen zurückgreifen, sowie natürlich auch auf fundierte Quellen. Vielleicht ist es in diesem Kontext auch wichtig zu erwähnen, dass viele der eher mediterranen Pflanzen im Buch dank Klimawandel & Co mittlerweile auch in Mitteleuropa hervorragend wachsen und zukünftig hoffentlich zu unserer Nahrungsgrundlage gehören.

KH: Zum persönlichen Schluss: Haben Sie eine Lieblingspflanze und können Sie deren Geschmack beschreiben?

ACE: Ha, das ist wirklich unglaublich schwierig zu beantworten! Jede der siebzig Pflanzen im Buch ist wirklich, wirklich spannend und alle schmecken mir auch richtig gut. Vielleicht kann ich zwei nennen, die ich dieses Wochenende erst wieder verwendet habe. Das eine ist der extrem widerstandsfähige Johannisbrotbaum. Seine gemahlenen Schoten habe ich gerade zum Backen eines Brotes verwendet. Das sogenannte Karobmehl hat ein  wunderbar mild-schokoladiges leicht süßliches Aroma, und das gemischte Brot daraus erinnert mich geschmacklich an Malzbrot oder Pumpernickel.

Die andere Pflanze ist die Meerestraube, das sind Algen aus Ostasien, die man sehr leicht für Transport und Lagerung trocken und dann wieder rehydrieren kann. Einmal rehydriert sehen sie wie sehr kleine Weintrauben aus, zerplatzen angenehm im Mund und haben ein frisch marines Aroma zwischen salzig, umami und leicht süß. Ich verwende sie oft als köstliche Garnierung von Wok-Gemüse und Reis.

Buchcover

29.4.2024

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