Nicht der Wunsch nach feudaler Prachtentfaltung, sondern eine moderne politische und vor allem ökonomische Strategie veranlasste 1899 den Großherzog von Hessen und bei Rhein, Ernst Ludwig, zur Gründung der Darmstädter Künstlerkolonie „Mathildenhöhe“. Ernst Ludwig, ein Enkel der britischen Queen Victoria, brachte entsprechende Erfahrungen von Aufenthalten in Großbritannien mit und wusste, dass er mit seiner Residenzstadt nicht in Konkurrenz mit den damals dominierenden Industrieregionen treten konnte. So setzte er – beeinflusst vom Arts and Crafts Movement – auf die Förderung von hochwertigem Kunsthandwerk.
Dafür holte er eine Reihe von jungen Künstlern nach Darmstadt, wobei der Architekt der Wiener Secession, Joseph Maria Olbrich, zum bedeutendsten Exponenten der Kolonie wurde. In Darmstadt konnte sich aber auch Peter Behrens, später einer der wichtigsten Vertreter des modernen Industriedesigns, erstmals als Architekt versuchen. Die Stadt entwickelte sich aufgrund der Ambitionen des Großherzogs zu einem Zentrum der angewandten Kunst und des deutschen Jugendstils. Unter gezielter Förderung der Kreativwirtschaft war damit in Deutschland so etwas wie eine frühe „Designregion“ entstanden.
Die Mathildenhöhe wurde im Jahr 2021 vom zuständigen Komitee zum UNESCO-Welterbe ernannt. Das Ausstellungsgebäude ist allerdings derzeit noch wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Im „Museum Künstlerkolonie“ aber ist die Ausstellung „Raumkunst. Made in Darmstadt“ zu sehen. Kuratorin Stefanie Patruno und Architekt Christian Häussler bieten damit eine attraktive Schau zum Thema Interieurs.
„Im Zentrum der im Museum Künstlerkolonie eingerichteten Sammlungspräsentation stehen die vier großen Baukunstausstellungen, die 1901, 1904, 1908 und 1914 auf der Mathildenhöhe stattgefunden haben. Zu diesen Anlässen entstanden eine Vielzahl wegweisender Raumkunstwerke, die nicht nur in Darmstadt, sondern auch darüber hinaus auf den großen internationalen Kunstschauen der Zeit präsentiert wurden“, so die Verantwortlichen der Schau
Gezeigt werden 150 Objekte, gestaltet unter anderem von Joseph Maria Olbrich, Peter Behrens und Ella und Emanuel Josef Margold. Der Bogen reicht dabei von Möbeln, Tafelgeschirren, Keramiken und Textilien bis zu Büchern, Skulpturen, Grafiken und Gemälden.
Weitere Informationen finden sich auf der Website der Mathildenhöhe Darmstadt.
7.5.2022. Alle Fotos: B. Denscher