„The Academicians of the Royal Academy“ heißt ein Bild, das zu den Kostbarkeiten der britischen „Royal Collection“ gehört. Gemalt wurde es von Johann Zoffany, einem aus Deutschland stammenden und in England sehr erfolgreichen Künstler. Abgebildet sind 36 Männer, versammelt im Aktsaal der Königlichen Kunstakademie.
Bis auf die beiden Aktmodelle handelt es sich bei den abgebildeten Persönlichkeiten um namentlich bekannte Künstler, die gut erkennbar sind und für zeitgenössische Betrachterinnen und Betrachter relativ leicht zu identifizieren waren. Das entsprach dem betont repräsentativen Charakter des in den Jahren 1771 und 1772 entstandenen Werkes, ging es dabei doch um die stolze Selbstdarstellung der wenige Jahre zuvor, 1768, gegründeten Royal Academy. Neben den beiden Aktmodellen war lediglich der chinesische Bildhauer Tan-Che-Qua, links hinten im Bild, nicht Mitglied der Akademie. Allerdings hatte er sich zur Entstehungszeit des Gemäldes in London aufgehalten und dort mit seinen Skulpturen viel Furore gemacht – er passte also in die illustre Versammlung, die Johann Zoffany rund um den Maler Joshua Reynolds, den ersten Akademiepräsidenten, gruppiert hatte (wobei er natürlich auch sich selbst mit ins Bild brachte).
Nicht in die Versammlung hingegen schienen zwei (aus heutiger Sicht nicht minder illustre) weitere Akademiemitglieder gepasst zu haben, obwohl auch sie mit ihrem künstlerischen Schaffen weithin anerkannt und sehr erfolgreich waren. Aber: es waren Frauen – Angelika Kauffmann und Mary Moser. Sie ganz aus dem Gruppenbild auszuschließen war nicht möglich, denn immerhin waren die beiden Malerinnen von Anfang an als Gründungsmitglieder der Royal Academy mit dabei gewesen. Johann Zoffany löste das Problem dadurch, dass er die beiden in Form von zwei Porträts an die Wand verbannte.
Damit waren die beiden nicht persönlich anwesend, und als Begründung konnte darauf verwiesen werden, dass Frauen der Zutritt zu den Aktsälen nicht gestattet war. Als ob Zoffany die „Academicians“ nicht auch in einem anderen Raum des Londoner „Somerset House“, in dem die Akademie bis 1837 untergebracht war, hätte platzieren können.
Während Angelika Kauffmanns Werk schon seit einiger Zeit durch Publikationen und Ausstellungen die verdiente Anerkennung zuteil wird, steht die Wiederentdeckung von Mary Moser noch aus. So wird auch in den meisten der aktuellen Gedenktageverzeichnissen und -listen übersehen, dass in diesem Jahr an Mosers 200. Todestag zu erinnern wäre.
Mary Moser, die am 27. Oktober 1744 in London geboren wurde, war sehr früh künstlerisch erfolgreich: Sie war erst 14, als ihr von der renommierten „Society of Artists of Great Britain“ ein Preis für eines ihrer Gemälde verliehen wurde. Es war ein Blumenbild – dem viele weitere folgten, sodass das florale Genre kennzeichnend für Mosers Schaffen wurde. Ihre künstlerische Ausbildung hatte sie von ihrem Vater erhalten: Georg Michael Moser, ein aus der Schweiz stammender Goldschmied, Emailleur und Medailleur, der ab den 1730er Jahren in London tätig war. Auch er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Royal Academy – und ist im Gegensatz zu seiner Tochter auf Zoffanys Gruppenbild in persona abgebildet.
Jene Arbeit, die Mary Moser am meisten Prestige einbrachte, war die Ausgestaltung eines ganzen Raumes in Frogmore House, eines palastartigen Gebäudes auf dem Gelände von Schloss Windsor: „A major project to which she devoted herself with glorious abandon, fashioning it in the style of an open garden with elaborate floral wall panels and ceiling motifs“ – so beschreibt die britische Publizistin Shahidha Bari diese Arbeit, für die Mary Moser von Königin Charlotte beauftragt worden war. Allerdings ist der „Mary Moser Room“ nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, denn Frogmore House befindet sich im Besitz der englischen Königsfamilie.
Im Gegensatz zu Angelika Kauffmann engagierte sich Mary Moser aktiv in der Organisation der Royal Academy. Allerdings gelang es ihr nicht, den Status von Frauen innerhalb der Akademie wesentlich zu verbessern. Sie starb am 2. Mai 1819 in London, und es sollte noch mehr als ein Jahrhundert dauern, bis – 1936 – mit Laura Knight wieder eine Frau in die Royal Academy aufgenommen wurde.
5.11.2022