Das italienische Livigno ist eine der höchsten und wohl auch eine der interessantesten Ortschaften in den Alpen. Es sind nicht nur die landschaftlichen Schönheiten, die den Ort in der Provinz Sondrio zu etwas Außergewöhnlichem machen, sondern es ist vor allem die besondere Lage der rund 6.800 Einwohner*innen zählenden Gemeinde. Denn Livigno liegt auf über 1.800 Meter Höhe, ganz nahe der Schweizer Grenze, und ist einer der höchstgelegenen dauerhaft bewohnten Orte Europas.
Über Jahrhunderte war Livigno im Winter kaum erreichbar, oft war es bereits im Spätherbst eingeschneit und dann über Monate von der Außenwelt abgeschnitten. Gebessert hat sich die Situation erst ab den 1950er Jahren, als die Zufahrten erweitert und durchgehend schneegeräumt wurden. Bis heute aber wird das Tal von Livigno aufgrund seiner Höhenlage und Abgeschiedenheit oft auch „Piccolo Tibet“ – „Klein Tibet“ – genannt.
Aufgrund der speziellen Lage erklärte Napoleon das Tal 1805 zur zollfreien Zone, damit es trotz der Abgeschiedenheit und Exponiertheit ganzjährig bewohnt bleibe. Weder die nachfolgenden österreichischen noch die späteren italienischen Machthaber und nicht einmal die Europäische Union wagten es in der Folge, den Bergbewohner*innen dieses Privileg wieder wegzunehmen. Dies führte zu einer gerade für das Hochgebirge kuriosen Dichte an Geschäften, die vor allem Parfüms, Spirituosen und Tabakwaren zu günstigen Preisen anbieten.
„Ein tiefblauer Himmel, in dem sich die Augen verlieren, eine reine Luft, die wie ein Hauch von Seide den Körper durchströmt und einen Löwenappetit macht“ – so schwärmte der italienische Schriftsteller Giovanni Guareschi von Livigno. Guareschi, berühmt durch seine Geschichten von „Don Camillo und Peppone“, war öfters zu Gast in Livigno und angeblich hat ihm der Pfarrer des Ortsteils Trepalle, Don Alessandro Parenti, einige Inspirationen für die Gestaltung des streitbaren Don Camillo geliefert.
Berühmt ist Livigno auch durch sein umfangreiches sportliches Angebot: 115 Kilometer Pisten laden zum Schilaufen und Snowboarden ein. Und alle, die gerne skilanglaufen, finden nahezu ideale Bedingungen dafür vor. Aus gutem Grund findet hier seit 1990 alljährlich schon im Dezember mit der „Sgambeda“ ein international renommiertes Langlauf-Rennen statt.
Im Winter ist Livigno von Norden über den Schweizer Unterengadin und den mautpflichtigen, einspurigen Tunnel Munt la Schera erreichbar, von Süden über Bormio und den 2.291 Meter hohen Passo di Foscagno.
4.12.2022. Alle Fotos © B. Denscher