Eulen üben seit jeher eine ganz besondere Faszination auf die Menschen aus. Sie finden sich in urzeitlichen Höhlenmalereien ebenso wie in den ägyptischen Hieroglyphen, in manchen alten Kulturen wurden sie als Gottheiten verehrt und sie sind bis heute ein immer wiederkehrendes Motiv in der bildenden Kunst. Diesem „geheimnisvollsten Vogel der Welt“ hat die amerikanische Wissenschaftsautorin Jennifer Ackerman nun ein ganzes Buch gewidmet.
Berühmt wurde die 1959 geborene Jennifer Ackerman vor allem mit ihren vogelkundlichen Büchern. Besondere Aufmerksamkeit erregte sie mit dem 2016 publizierten Band „The Genius of Birds“, der mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde (deutsch „Die Genies der Lüfte“, 2017). Auch Ackermans Eulen-Buch erhielt, als es 2023 unter dem Titel „ What an Owl Knows. The New Science of the World’s Most Enigmatic Birds” herauskam, viel Lob in den englischsprachigen Medien: „A fascinating read on how scientists are beginning to better understand the lives and ecology of these secretive and rarely visible birds“, urteilte etwa das renommierte “Science”-Magazin. Nun ist das Buch unter dem Titel: „Die Weisheit der Eulen. Der geheimnisvollste Vogel der Welt und seine Talente“ auch in deutscher Sprache erhältlich.
In der Einleitung reißt die Autorin zunächst einmal all das an, womit wir Eulen in Verbindung bringen: da gibt es Bezeichnungen wie „ein seltsamer Kauz“ oder „eine Nachteule“, man assoziiert sie mit dem Übersinnlichen, und sie gelten sowohl als Symbolfiguren von Wissen und Weisheit als auch als Überbringer von Unglück, Krankheit und Tod.
Obwohl Eulen in unserer Vorstellungswelt derart präsent sind und obwohl es sie auf allen Kontinenten – mit Ausnahme der Antarktis – gibt, hat die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihnen erst vor relativ kurzer Zeit begonnen. Der Grund dafür ist, so schreibt Ackerman, dass Eulen schwerer zu finden und zu erforschen sind als andere Vögel: „Sie leben versteckt, sind getarnt, scheu und zu einer Tageszeit aktiv, zu der man nur mit Mühe an jene Orte gelangt, an denen sie anzutreffen sind.“ Mit modernen Methoden und Hilfsmitteln aber hat in jüngster Zeit eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Eulen begonnen. Die neuesten Erkenntnisse „über ihre bemerkenswerten anatomischen und biologischen Eigenschaften, ihr Verhalten, ihre Jagdmethoden und Sinneseigenschaften“ präsentiert Jennifer Ackerman nun in ihrem Buch. Somit ist „Die Weisheit der Eulen“ ein populärwissenschaftliches Standardwerk zum Thema geworden, hat Ackerman doch eine Vielzahl von WissenschaftlerInnen und VogelbeobachterInnen interviewt – und auch viele Menschen, die von diesen Vögeln einfach fasziniert sind.
In Millionen von Jahren Evolution haben sich die Eulen ihre ganz besonderen Eigenschaften erworben, und sie stecken immer noch voll Überraschungen. Unverdautes stoßen die perfekten Jäger gegen die übliche Verdauungsrichtung als „Gewölle“ über den Schnabel nach draußen. Überschüssige Beute wird in Verstecken aufbewahrt. Nicht nur ihr Hörsinn, der auch – wie bei vielen anderen Vögeln – nicht altert, ist besonders entwickelt, sondern auch das Auge. Es macht drei Prozent des Körpergewichts aus – wenn man das auf uns Menschen überträgt, müssten wir Augen so groß wie Orangen haben, die fast zwei Kilo wiegen. Allerneueste Erkenntnisse, dass nämlich vom Hörnerv der Eulen auch ein Zweig zum Sehzentrum führt, sind in ihrer Bedeutung für das Jagdverhalten dieser Vögel noch nicht restlos erforscht. Sehr viel hingegen weiß man über die biomechanische Tarnungsleistung beim verstohlenen Flug der Eulen.
Jennifer Ackerman hat im Zuge ihrer Recherchen auch mit David Johnson gesprochen, der das „Global Owl Project“ leitet (das ein Konsortium von mehr als 450 Forschenden in 66 Ländern ist) und der für sein Projekt „Owls in Myth and Culture“ mehr als 1.000 „volkstümlich überlieferte Berichte und Geschichten aus der ganzen Welt und vielen Epochen zusammengetragen“ hat. Ein anderer Fachmann, der im Buch zu Wort kommt, ist der Tiermusikwissenschaftler Magnus Robb, der Eulenrufe analysiert und auch anschaulich zu beschreiben vermag: „Der Lockruf einer weiblichen Waldohreule ist geformt wie ein schwerer Seufzer!“ Warum Eulen überhaupt schreien, ist noch immer Gegenstand der einschlägigen Untersuchungen. Auch das Erforschen von Paarbindung, Elternverhalten und Brutpflege führt nach wie vor zu überraschenden Ergebnissen. Auch vom „Bleiben oder Gehen“, also ob die Eulen Stand- oder/und Zugvögel sind, ist im Buch die Rede und davon, wie sie sich in Gefangenschaft verhalten.
Je mehr man in Ackermans Buch über die Weisheit der Eulen eintaucht, desto mehr fasziniert das darin vermittelte Wissen, über das man oft nur staunen kann. Staunen könnte man auch über die Vielzahl von Eulenarten, die es gibt, von der Ostkreischeule über den Riesenfischuhu bis zum Kläfferkauz – im Register sind 33 verschiedene Namen angeführt!
Jennifer Ackerman: Die Weisheit der Eulen. Der geheimnisvollste Vogel der Welt und seine Talente. Aus dem Englischen übersetzt von Sebastian Vogel. dtv, München 2024.
Anmerkung: Die Fotos in diesem Beitrag wurden dankenswerterweise von Konrad Zobel zur Verfügung gestellt. Sie stellen eine thematische Ergänzung dar und stammen nicht aus dem Buch „Die Weisheit der Eulen“.
24.1.2025