BRIEFE SCHREIBEN

Der handgeschriebene Brief ist im digitalen Zeitalter zur Seltenheit geworden. Über Jahrhunderte aber war er das wichtigste Medium schriftlicher Kommunikation. Seinen einst so hohen Stellenwert dokumentieren auch die vielen Gemälde, in denen Menschen, die Briefe schreiben oder lesen, zu sehen sind.

Besonders häufig ist dieses Motiv, wie die Auswahl hier zeigt, in Werken vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert zu finden. Es war dies das große Zeitalter des Briefes, in dem auch die literarische Form des Briefromans überaus populär war – so etwa, als das im deutschen Sprachraum vermutlich bekannteste Beispiel, Goethes 1774 erschienener Roman „Die Leiden des jungen Werthers“. Grundlagen für diese Blütezeit des Briefeschreibens waren die weitgehende Alphabetisierung und der Ausbau des Postwesens, durch die das Schreiben, Lesen und Versenden von Briefen für breite Teile der Bevölkerung möglich wurden.

Je mehr die globale Mobilität zunahm, desto bedeutender wurde der Brief als das oft einzige Mittel, um enge private Beziehungen auch über weite Distanzen aufrecht erhalten zu können.

In der Mehrzahl dieser Bilder sind Frauen die Schreiberinnen oder Empfängerinnen von Briefen. Dies entsprach vielfach der Realität jener Zeit, in der die Möglichkeiten für soziale Kontakte, die über einen engeren familiären Kreis hinausgingen, für Frauen oftmals stark eingeschränkt waren. Der Brief erwies sich da als ideales Medium, um weiterreichende und dennoch gesellschaftlich akzeptierte Verbindungen zu etablieren und selbstbestimmt zu kommunizieren. Vor allem aber verkörperten Frauen in der damaligen Vorstellungswelt vielfach jene Emotionalität, die symbolhaft mit dem Brief verbunden ist: von Liebe, Sehnsucht und Erwartung bis zu Trauer und Enttäuschung.

„Das Briefschreiben ist zwar immer nur Notbehelf, aber doch etwas. Deswegen sollten wir es doch nicht ganz unterlassen.“ Friedrich Hölderlin

(In: Briefe von und an Hegel. Hg. von Johannes Hoffmeister. Hamburg 1969. Bd 1, S. 9.)

17.10.2024

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