Von New York bis London, von Bangkok bis Stockholm – eine erste Vorstellung von den Strukturen einer Stadt geben oft die Netzpläne des öffentlichen Nahverkehrs, jene schematischen Darstellungen der Streckenverläufe von S-Bahnen, U-Bahnen, Trams und Metros. Der britische Sachbuchautor Mark Ovenden ist ein Fan dieser „Transit Maps“, die – wie er in seinem neuesten Buch zeigt – auch beeindruckende Dokumente zu Stadt- und Verkehrsentwicklung und zur Designgeschichte sind.

Mark Ovenden ist Mitglied der „Royal Geographical Society“ und er hat bereits eine ganze Reihe von Büchern zu Themen der Verkehrsgeschichte und des Plandesigns veröffentlicht, von „Great Railway Maps of the World“ bis zu „Airline Maps: A Century of Art and Design“. In seinem aktuellsten, auch auf Deutsch vorliegenden Buch „Transit Maps“ präsentiert er, gegliedert nach Kontinenten, über 300 historische und aktuelle Pläne aus 53 Städten.
In seiner Einleitung berichtet Ovenden kurz von der Geschichte der Nahverkehrskartografie. Diese begann in den 1860er Jahren damit, dass man Linien in kontrastierenden Farben auf geografisch präzise topografische Karten einzeichnete. Allerdings konnte dies, vor allem in dichtbebauten Stadtgebieten, ein verwirrendes Bild ergeben. Daher ließ man später die oberirdischen Details einfach weg und es entstanden vereinfachte topologisch-schematische Netzpläne. Diese mussten dann auch an die Platzverhältnisse in den Waggons der Bahnen, in denen sie angebracht wurden, angepasst werden.
In den 1950er und 1960er Jahren griff man dann allerdings bei einigen neuen U-Bahn-Netzen, wie etwa in Lissabon, Mailand und Mexiko-Stadt, wieder auf eine Einbindung der Netzpläne in die oberirdische Geografie zurück, um der Bevölkerung die Gewöhnung an die Transit Maps zu erleichtern.

Sein Buch sei ein Loblied auf gutes Netzplandesign, schreibt Mark Ovenden, und eine Hommage an jene Designer, die in „ungezählten Stunden und schlaflosen Nächten über jedem noch so kleinen Detail des Linienplans brüteten“.
Den Hauptteil des Buches bilden herausragende Beispiele der urbanen Verkehrskartografie aus der ganzen Welt. Fünf kommen aus Afrika, zwölf – von Boston bis Washington – aus Amerika (acht Seiten sind allein der New Yorker U-Bahn gewidmet). Unter den dreizehn asiatischen nehmen die Pläne von Hongkong und Tokio den meisten Platz ein. Der Großteil der Transit Maps aber ist den europäischen Netzen gewidmet. Hier sind es 21 Städte, von Amsterdam bis Wien, deren Linienpläne untersucht werden, am ausgiebigsten natürlich London und Paris. Drei Linien aus Ozeanien – Auckland, Melbourne und Sydney – bilden dann den Abschluss.

Blättert man das Buch durch, wird man feststellen, dass sich bei den Transit Maps im Großen und Ganzen ein einheitliches Layout durchgesetzt hat: bunte Linien auf meist weißem Grund, wobei schwarze oder weiße Punkte, Kreise oder Ellipsen die Haltestellen anzeigen. Einige Pläne stechen insofern hervor, dass da der Untergrund schwarz und die Schrift weiß ist, was einen gewissen Reiz ausmacht. Auch sonst gibt es einige – zumeist farbliche – Variationen. Abwechslung im strengen Einerlei von bunten Linien und Stationsnamen wird doch auch geboten, der Phantasie der Designer sind ja keine Grenzen gesetzt.
Man wird in Ovendens Buch mit den Plänen nicht allein gelassen: die oben erwähnten historischen Entwicklungen werden verfolgt, der Ausbau und die Erweiterung der Linien werden angezeigt. Ausführlich sind die Kommentare zur Entwicklungsgeschichte und den Besonderheiten der diversen U-Bahnen, die Kartenbeispiele werden kurz und bündig erklärt. Fotos zeigen alte Plakate, die oft prächtigen Eingänge und die Innengestaltung der Stationen.

Das Vorwort zum Buch verfasste der deutsche Designer Erik Spiekermann, der, ausgezeichnet mit vielen einschlägigen Preisen, unter anderem für seine Neugestaltung des Berliner U-Bahn-Plans in die „European Designers Hall of Fame“ aufgenommen wurde. „Netzpläne in Diagrammform sollen Einheimischen und Besuchern helfen, sich in der Stadt zurechtzufinden“, definiert Spiekermann die Aufgabe der urbanen Verkehrskartografie. Daher müssen die Pläne klar, einladend und gut lesbar gestaltet sein, denn „ohne attraktive, zugängliche Informationen wird sich niemand ins Unbekannte wagen, in dunkle Tunnel und volle Fahrzeuge, um sich einem undurchschaubaren System auszuliefern.“

21.2.2025